13 September 2021

Hiobs Frau: Fluche Gott, und stirb!

Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb! (Hiob 2,9)


Fluche Gott
und stirb!
Was ist der Sinn
weiterzugehen?
Er hat alles genommen.
Was ist der Sinn
an ihm festzuhalten
wenn das der Lohn ist
für all deinen Glauben,
für all deine Treue.
Wenn sogar Gottlosigkeit mehr bringt,
warum noch glauben?
Warum noch leben
wenn er uns schon verflucht hat,
das Leben zur Hölle gemacht,
nicht mehr lebenswert?

Gott.
Ich verstehe nicht.
Ist das was du Liebe nennst?
Ist das wie du uns verdankst
für Glauben und Treue?
Ist das was wir verdient haben?

Was soll ich tun
mit diesem Loch in meiner Seele?
Ich klage an
gegen den Himmel,
rüttle an deinen Thron,
denn ich kann nicht mehr,
kann nicht verstehen,
kann nicht glauben,
ich mag nicht.

Wer hört meine Geschichte?
Wer heilt meine Wunden?
Wer lässt mich weinen, und tröstet mich?
Wer lässt mich fluchen und klagen
so viel wie ich muss
bis das Gift raus ist?
Wer
wenn nicht du?

Oh Gott,
der Gott der mich verwundet,
der Gott der mich heilt –
ich verstehe dich nicht,
kann dich manchmal nicht einmal leiden,
und doch
bist du mein Gott
den ich suche
sogar wenn ich dich hasse.

Ich kann nicht vergeben
was du getan hast –
hilf mir, zu vergeben.
Ich kann dich nicht lieben
weil du das zugelassen hast –
hilf mir, zu lieben.
Ich kann nicht vertrauen
der Hand, die mich fallen liess –
hilf mir, zu vertrauen.

Ich kann nicht glauben
an einen "Gott der Liebe"
der dieses Leid zulässt –
hilf mir,
Gott der Liebe,

an dich zu glauben.

Wenn ich es nicht alleine kann,
wenn ich ertrinke in der Finsternis
meiner Trauer und Wut,
rette mich vor mir selbst
und mach mich wieder dein.

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[Übersetzung: 13. September 2021, Original: Job's Wife]

Wir haben im Konfirmandenunterricht heute Abend das Thema "Warum müssen Menschen leiden?" und ich dachte, eventuell baue ich dieses Gedicht irgendwo ein, und so habe ich es jetzt schnell übersetzt. Keine Ahnung ob ich es jetzt in der Stunde verwende oder nicht, aber jetzt ist es zumindest mal übersetzt. XD

Was mir wichtig ist aus dem Hiobsbuch: Es gibt keine Antwort zur Frage, warum Menschen leiden müssen - Gott gibt uns keine Antwort. Aber wir dürfen klagen. So habe ich auch dieses Gedicht geschrieben: wir dürfen klagen, dürfen Gott anklagen, dürfen fluchen, dürfen auf Gott wütend sein, vielleicht hassen wir Gott auch zeitweise wenn wir mitten im Leid sind. Gott hält das aus. Oft haben wir gelernt, solche Gefühle nicht auszudrücken, nicht nur nicht gegenüber Gott sondern auch gegenüber Mitmenschen. Lieber still in sich hineinfressen. Was nicht wirklich so gesund ist. Gerade die Geschichte von Hiob zeigt uns aber, dass wir klagen dürfen. Von Hiobs Frau lesen wir wirklich nur diesen Satz, Hiob selbst lässt aber so einiges raus, was wir uns vielleicht nicht getrauen würden, Gott zu sagen. Aber Gott hält es aus! Gott kommt damit klar, und er ist es auch, der uns trösten kann und mit der Zeit auch wieder zu sich führen kann. Aber wenn wir im Moment auf Gott wütend sind dann glaube ich dürfen wir das. Gott hält das aus.

Vom Buch Briefe die ich niemals schrieb von Ruth van Reken habe ich den Gedanken aufgenommen, dass wir manchmal "Gott vergeben müssen". Wenn man so aufgewachsen ist wie ich, dass Gott doch nie Fehler macht usw., dann kann das ein fremder Gedanke sein. Aber auch wenn Gott keine Fehler macht: vielleicht habe ich  mal Mühe mit etwas, das Gott zugelassen hat. Da kann es mir guttun, wenn ich Gott sagen kann: Ich fand das nicht richtig. Und da kann es entlasten, wenn ich Gott vergeben kann. Mehr als wenn ich das Ganze in mich hineinfresse in der Meinung "Gott macht ja keine Fehler usw". Das schadet der Beziehung zu Gott finde ich mehr als wenn ich das wie einen Fehler behandle. Gott kommt damit klar. Ich denke Gott hält in der Beziehung mit uns so viel mehr aus als wir oft meinen. Bei Hiob hat er ganz viel Klage und Anklage ausgehalten und Hiob am Ende recht gegeben.

Wir verstehen zwar nicht, warum Menschen leiden müssen, und Gott gibt uns keine Antwort. Aber wir dürfen klagen. Wir dürfen anklagen. Wir dürfen wütend und traurig sein. Und Gott ist in dem allem bei uns. Für mich ist Gottes Antwort auf das Leiden das Kreuz: Gott der mitleidet. Gott der mitten in das Leiden hineinkommt, es selber am eigenen Leib erlebt, und unsere Klage zur seinen macht, "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Für mich ist das die "christliche Antwort auf das Leid", und das ist wohl keine Erklärung aber mir gibt es Kraft, wenn ich leide.

Bild von Albrecht Dürer.