18 April 2019

Kosbi: Durchbohrt

Numeri 25

Ich bin durchbohrt
für mein Vergehen,
durchbohrt von deinem Speer
und deinem heiligen Eifer.
Ich bin dein Sühnopfer,
Menschenblut
zu stillen den Zorn
der gekränkten Gottheit.
Mein Tod bringt zu Ende
Leiden und Plage,
mein Blut hat den Frieden erkauft.

Ich bin durchbohrt
für meine Vergehen,
dein Menschenopfer.
Du hast die Sünderin getötet
um die Sünde zu beenden,
die Schuldige
um vom Fluch zu befreien.
Jetzt trägt deine Gewalt
den Segen des Friedens,
die Zustimmung deines Gottes.
Jetzt trägst du
die grosse Verheissung:
ewiges Priestertum –
für immer so.

Und sie werden wundern und spekulieren
ob Der, Der Da Kommt, von dir kommen wird,
ob Der, Der Da Kommt, wie du sein wird,
ewiger Priester,
vom Eifer entbrannt.
Und sie werden wundern und spekulieren
und suchen nach einem neuen Pinechas
der mit Speer in der Hand
die Welt reinigt von Gottlosigkeit,
von Sünde saubermacht.

Schauen sie dann
auf den, den sie durchbohrt haben,
durchbohrt
für unsere Vergehen?
Denjenigen, nicht mit Speer in der Hand,
sondern vom Speer durchstochen
bis Blut und Wasser fliessen heraus;
denjenigen, dessen Eifer
sich nicht in Gewalt gezeigt,
sondern in Tod und Leid;
dessen Sieg über die Sünde
nicht im Töten gewonnen ist,
sondern durch Liebe,
die sich selbst hingibt?

Werden sie sehen
ihren Gott
durchbohrt
von den Pinechas dieser Welt
und ihrem heiligen Eifer,
ihren Gott,
ein Sünder durchbohrt wegen Blasphemie?

Durchbohrt
für unsere Vergehen,
durchbohrt von unserem Speer
des heiligen Eifers.
Gott, unser Sühneopfer
zu besänftigen den Zorn der Menschheit.
Gott, nicht der Zornige,
sondern Liebe
durchbohrt
durch unseren Hass,
ein Spiegel,
eine träumende Welt zu wecken,
unsere Speere zu brechen
und zu vergeben.

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Übersetzt von: Cozbi: Pierced

Erklärung (Predigt vom 19.04.19 - sorry, keine Energie sie zu kürzen):

"Durchbohrt aber wurde er unseres Vergehens wegen, unserer Verschuldungen wegen wurde er zerschlagen, auf ihm lag die Strafe, die unserem Frieden diente, und durch seine Wunden haben wir Heilung erfahren." (Jesaja 53,5)

Durchbohrt – das ist auch Kosbi.Kosbi ist eine Midianiterin, wahrscheinlich eine Tempelprostituierte. Die Israeliten sind auf dem Weg zum gelobten Land Midianitern und Moabitern begegnet, und haben angefangen, deren Götter zu verehren. Auch sind einige mit heidnischen Frauen involviert worden – nichts Kleines in einer Kultur, in der der religiöse Glaube durch die Mutter weitergegeben wird. Die Konsequenzen: Gott schickt eine Plage. Tausende sterben.

Pinechas, ein Nachkomme des Hohenpriesters Aaron, Bruder von Mose, greift ein. Er tötet die Tempelprostituierte Kosbi zusammen mit ihrem israelitischen Mann oder Liebhaber. Beide werden durch den Bauch erstochen - in den wenigen künstlerischen Darstellungen dieser Szene wird es darum so interpretiert, dass sie mitten im Akt getötet wurden. Mitten in ihrer Sünde, könnte man sagen. Der Text spricht von Sühne: die Plage lässt ab, Gottes Zorn ist abgewendet. Mit dem vergossenen Blut der beiden Sünder wird alles wieder gut.

Ja... was macht so eine Geschichte mit uns?  So eine blutige Geschichte von Gewalt und Zorn und Strafe... was machen wir damit? Diese Tötung von Kosbi und Simri – das klingt doch wie ein Menschenopfer, als ob Gott das Blut von Menschen gebraucht hat, um beschwichtigt zu werden. Was für ein Gott ist denn das? Und Pinechas, der Henker, wird gelobt für das, was er getan hat. Seine Tat bekommt das "Gütesiegel" Gottes: Gott ist zufrieden mit ihm, er hat es gut gemacht. Pinechas erhält einen Segen und eine Verheissung – eine Verheissung ähnlich wie die, die auch der König David bekommen hat. David wurde eine Verheissung von ewigem Königtum gegeben – hier bekommt Pinechas das ewige Priestertum zugesprochen. Eine sehr hohe Ehre – ein sehr starkes Zeichen der Zustimmung Gottes.

Gottes Versprechen an David ist für uns wichtig, weil daraus die Erwartung eines "Messias" entstanden ist, eines Retters, eines von Gott gesandten Königs, der sein Volk rettet und alles wieder in Ordnung bringt. Darum wird Jesus im Neuen Testament immer wieder "Sohn Davids" genannt. In der Zeit vor Jesus gab es eine starke Tradition, die davon ausging, dass der Retter von David abstammen würde – und entsprechend auch wie David sein würde, oder wie Davids Sohn Salomo: ein mächtiger König, ein weiser König, ein grosser Herrscher. Ein König-Messias.

Was viele aber nicht wissen: es gab zur gleichen Zeit eine starke Tradition, die auch einen "Priester-Messias" erwarteten – entweder die gleiche Person oder eine zweite, die zusammen mit dem König-Messias erscheinen und die Welt zurechtbringen würde. So wie der König-Messias dem Muster Davids folgen würde, würde der Priester-Messias wie der priesterliche Vorfahre sein – und dieser priesterliche Vorfahre, das war Pinechas.

Wenn also die Leute in der Zeit Jesu über den Messias nachdachten, dann stellten sie ihn sich wahrscheinlich nicht selten wie Pinechas vor. Besonders unter der griechischen und römischen Besatzung, die beide fremde Religionen nach Israel hineinschleppten und in den Augen der Gläubigen schlechten Einfluss brachten, hofften bestimmt viele auf so einen heiligen Eifer wie den des Pinechas, auf einen Retter, der zum Speer greifen würde und mit Gewalt die "Gottlosen", die Sünder und Ungläubigen entfernen würde.

Dann kam Jesus. Jesus ist nicht wie Pinechas. Und das Sühneopfer auf Golgatha ist nicht wie das Sühneopfer von Simri und Kosbi. Jesus tötet nicht die Sünder mit heiligem Eifer – sondern heiliger Eifer nagelt ihn am Kreuz. Urteil: Blasphemie, Gotteslästerung. Jesus trägt nicht einen Speer, sondern ist derjenige, der vom Speer durchbohrt wird.

Oft wird von Jesu Tod gesprochen, als wäre das ein Opfer, um Gottes Zorn zu besänftigen – als wäre Jesus ein Blitzableiter, der zwischen uns Menschen und Gott kommt. Ich hatte immer Mühe mit dieser Darstellung – denn in Taiwan, wo ich aufgewachsen bin, kennt man so etwas in der einheimischen Religion auch. Da muss man die Geister und Dämonen mit Opfern besänftigen, so dass sie einen nicht schaden. Ist unser Gott ein Dämon? Nein. Die Bibel sagt: Gott ist die Liebe. Und das Leben von Jesus, Gottes Sohn, beweist uns das. Der Sohn zeigt uns, wie der Vater ist. Gott kann nicht anders sein als sein Sohn Jesus. Wir wissen, dass Gott Liebe ist, weil wir das in Jesus sehen. Gott ist nicht ein zorniger Gott, der besänftigt werden muss. Jesus ist nicht gestorben, um den Zorn Gottes auf sich zu nehmen. Sondern Jesus ist gestorben und hat uns in seinem Tod gezeigt: Gott ist anders. Gott ist nicht der zornige Gott. Gott ist nicht im eifrigen Priester, der den Sünder umbringt – sondern Gott ist in der durchbohrten Frau. Am Kreuz hat Jesus den Platz von Kosbi eingenommen. Am Kreuz wird Jesus, als Krimineller verurteilt, von den Frommen und Eifrigen umgebracht. Gott selbst wird zum Opfer des frommen Eifers.

Ich glaube, der Tod Jesu zeigt uns, dass nicht Gott der Zornige ist, der besänftigt werden muss, sondern wir Menschen. Die Menschen suchen Blut und Rache und gewalttätige Lösungen. Der Tod Jesu zeigt uns, was passiert, wenn heiliger Eifer zu weit geht: dann töten wir plötzlich, ganz ohne es zu merken, Gott selbst. Jesus ist nicht gestorben, um Gottes Zorn zu besänftigen – sondern Menschen haben ihn getötet, um ihre Blutlust zu besänftigen.

Und die Kraft in diesem Tod Jesu ist, dass Gott nicht mit Rache und Gewalt und Strafe reagiert auf diese grösste Sünde von allen: auf den Gottesmord. Gott rächt sich nicht, er sendet keine Engel, um die Mörder zu erschlagen. Gott reagiert mit Vergebung. Wir haben es gehört: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Gott reagiert mit Vergebung.

Und von dem Punkt aus können wir uns verändern. Weil Gott uns gezeigt hat, wo Rache und Strafe uns hinführen. Wo heiliger Eifer uns hinführen kann. Gott will nicht den heiligen Eifer, der gegen sogenannte Sünde kämpft. Gott will, dass wir ihm ähnlicher werden: dass wir wie Jesus werden, der am Kreuz hängt und vergibt. Jesus, der wie Pinechas hätte werden sollen, wird wie Kosbi. Gott wird zur durchbohrten Tempelhure, um uns sagen: stopp. So geht das nicht weiter. Am Kreuz hält Gott der Menschheit den Spiegel vor und ruft uns auf, unsere Speere fallenzulassen und zu vergeben. Es musste nie Gott zufriedengestellt und besänftigt werden. Sondern wir Menschen. Jesus ist nicht gestorben, um Gottes Meinung über uns zu ändern, sondern um unsere Meinung über Gott zu ändern. "Lasst euch versöhnen mit Gott!" fasst Paulus die Botschaft vom Kreuz zusammen. Und ich verstehe das so: es ist nicht Gott, der sich mit uns versöhnen muss, Gott hatte nie mit uns Streit, er hat uns nie abgelehnt oder gehasst. Sondern die Trennung kommt von uns aus. Da, wo wir der Liebe den Rücken kehren, wo wir hassen, streiten, rächen, nicht vergeben. Das Problem ist nicht der zornige Gott, sondern die zornige Menschheit.

Aber am Kreuz gibt uns Gott die Kraft, einen neuen Weg zu finden. Am Kreuz hält uns Gott den Spiegel vor, aber er gibt uns auch ein Beispiel, wie es anders geht. "Vater, vergib ihnen." Verzicht auf Rache. Verzicht darauf, die zu bestrafen, die es verdient hätten. Verzicht darauf, den Feinden eins auszuwischen. Verzicht auf die eigene Macht – auf die Allmacht. "Vater, vergib ihnen."

Am Kreuz wird nicht Jesus bestraft für all unsere Sünden – sondern am Kreuz ist das Ende aller Strafe und aller Rache. Am Kreuz sagt Gott: "Nein. Stopp. So nicht. So bin ich nicht." Am Kreuz gibt uns Gott eine neue Möglichkeit, Geschichten wie die von Kosbi anders zu lesen. Gott steht nicht auf der Seite des frommen Eifers, der Sünde verdammt und aufs härteste bestraft. Sondern Gott ist bereit, den Platz der Sünder einzunehmen, mit ihnen und für sie zu leiden.