Ich bin durchbohrt
für mein Vergehen,
durchbohrt von deinem
Speer
und deinem heiligen
Eifer.
Ich bin dein Sühnopfer,
Menschenblut
zu stillen den Zorn
der gekränkten Gottheit.
Mein Tod bringt zu Ende
Leiden und Plage,
mein Blut hat den Frieden
erkauft.
Ich bin durchbohrt
für meine Vergehen,
dein Menschenopfer.
Du hast die Sünderin
getötet
um die Sünde zu beenden,
die Schuldige
um vom Fluch zu befreien.
Jetzt trägt deine Gewalt
den Segen des Friedens,
die Zustimmung deines
Gottes.
Jetzt trägst du
die grosse Verheissung:
ewiges Priestertum –
für immer so.
Und sie werden wundern
und spekulieren
ob Der, Der Da Kommt, von
dir kommen wird,
ob Der, Der Da Kommt, wie
du sein wird,
ewiger Priester,
vom Eifer entbrannt.
Und sie werden wundern
und spekulieren
und suchen nach einem
neuen Pinechas
der mit Speer in der Hand
die Welt reinigt von
Gottlosigkeit,
von Sünde saubermacht.
Schauen sie dann
auf den, den sie
durchbohrt haben,
durchbohrt
für unsere Vergehen?
Denjenigen, nicht mit
Speer in der Hand,
sondern vom Speer
durchstochen
bis Blut und Wasser
fliessen heraus;
denjenigen, dessen Eifer
sich nicht in Gewalt
gezeigt,
sondern in Tod und Leid;
dessen Sieg über die
Sünde
nicht im Töten gewonnen
ist,
sondern durch Liebe,
die sich selbst hingibt?
Werden sie sehen
ihren Gott
durchbohrt
von den Pinechas dieser
Welt
und ihrem heiligen Eifer,
ihren Gott,
ein Sünder durchbohrt
wegen Blasphemie?
Durchbohrt
für unsere Vergehen,
durchbohrt von unserem
Speer
des heiligen Eifers.
Gott, unser Sühneopfer
zu besänftigen den Zorn
der Menschheit.
Gott, nicht der Zornige,
sondern Liebe
durchbohrt
durch unseren Hass,
ein Spiegel,
eine träumende Welt zu
wecken,
unsere Speere zu brechen
und zu vergeben.
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Übersetzt von: Cozbi: Pierced
Erklärung (Predigt vom 19.04.19 - sorry, keine Energie sie zu kürzen):
"Durchbohrt
aber wurde er unseres Vergehens wegen, unserer Verschuldungen wegen
wurde er zerschlagen, auf ihm lag die Strafe, die unserem Frieden
diente, und durch seine Wunden haben wir Heilung erfahren."
(Jesaja 53,5)
Pinechas, ein Nachkomme
des Hohenpriesters Aaron, Bruder von Mose, greift ein. Er tötet die
Tempelprostituierte Kosbi zusammen mit ihrem
israelitischen Mann oder Liebhaber. Beide werden durch den
Bauch erstochen - in den wenigen
künstlerischen Darstellungen dieser Szene wird es darum so
interpretiert, dass sie mitten im Akt getötet wurden. Mitten in ihrer Sünde,
könnte man sagen. Der Text spricht von
Sühne: die Plage lässt ab,
Gottes Zorn ist abgewendet. Mit dem vergossenen Blut
der beiden Sünder wird alles wieder gut.
Ja... was macht so eine
Geschichte mit uns? So eine blutige
Geschichte von Gewalt und Zorn und Strafe... was machen wir damit? Diese Tötung von Kosbi
und Simri – das klingt doch wie ein Menschenopfer, als ob Gott das Blut von
Menschen gebraucht hat, um beschwichtigt zu werden. Was für ein Gott ist
denn das? Und Pinechas, der Henker,
wird gelobt für das, was er getan hat. Seine Tat bekommt das
"Gütesiegel" Gottes: Gott ist zufrieden mit ihm, er hat es gut gemacht. Pinechas erhält einen
Segen und eine Verheissung – eine Verheissung ähnlich
wie die, die auch der König David bekommen hat. David wurde eine
Verheissung von ewigem Königtum gegeben – hier bekommt Pinechas das
ewige Priestertum zugesprochen. Eine sehr hohe Ehre –
ein sehr starkes Zeichen der Zustimmung Gottes.
Gottes Versprechen an
David ist für uns wichtig, weil daraus die Erwartung
eines "Messias" entstanden ist, eines Retters, eines von
Gott gesandten Königs, der sein Volk rettet und
alles wieder in Ordnung bringt. Darum wird Jesus im Neuen
Testament immer wieder "Sohn Davids" genannt. In der Zeit vor Jesus gab
es eine starke Tradition, die davon ausging, dass
der Retter von David abstammen würde – und entsprechend auch wie
David sein würde, oder wie Davids Sohn Salomo: ein mächtiger König,
ein weiser König, ein grosser Herrscher. Ein König-Messias.
Was viele aber nicht
wissen: es gab zur gleichen Zeit
eine starke Tradition, die auch einen
"Priester-Messias" erwarteten – entweder die gleiche
Person oder eine zweite, die zusammen mit dem
König-Messias erscheinen und die Welt
zurechtbringen würde. So wie der König-Messias
dem Muster Davids folgen würde, würde der
Priester-Messias wie der priesterliche Vorfahre sein – und dieser priesterliche
Vorfahre, das war Pinechas.
Wenn also die Leute in
der Zeit Jesu über den Messias nachdachten, dann stellten sie ihn
sich wahrscheinlich nicht selten wie Pinechas vor. Besonders unter der
griechischen und römischen Besatzung, die beide fremde
Religionen nach Israel hineinschleppten und in den Augen der
Gläubigen schlechten Einfluss brachten, hofften bestimmt viele
auf so einen heiligen Eifer wie den des Pinechas, auf einen Retter, der zum
Speer greifen würde und mit Gewalt die
"Gottlosen", die Sünder und Ungläubigen entfernen würde.
Dann kam Jesus. Jesus ist nicht wie
Pinechas. Und das Sühneopfer auf
Golgatha ist nicht wie das Sühneopfer von Simri und Kosbi. Jesus tötet nicht die
Sünder mit heiligem Eifer – sondern heiliger Eifer
nagelt ihn am Kreuz. Urteil: Blasphemie,
Gotteslästerung. Jesus trägt nicht einen
Speer, sondern ist derjenige,
der vom Speer durchbohrt wird.
Oft wird von Jesu Tod
gesprochen, als wäre das ein Opfer,
um Gottes Zorn zu besänftigen – als wäre Jesus ein
Blitzableiter, der zwischen uns Menschen
und Gott kommt. Ich hatte immer Mühe mit
dieser Darstellung – denn in Taiwan, wo ich
aufgewachsen bin, kennt man so etwas in der
einheimischen Religion auch. Da muss man die Geister
und Dämonen mit Opfern besänftigen, so dass sie einen nicht
schaden. Ist unser Gott ein Dämon? Nein. Die Bibel sagt: Gott ist
die Liebe. Und das Leben von Jesus,
Gottes Sohn, beweist uns das. Der Sohn zeigt uns, wie
der Vater ist. Gott kann nicht anders
sein als sein Sohn Jesus. Wir wissen, dass Gott
Liebe ist, weil wir das in Jesus sehen. Gott ist nicht ein
zorniger Gott, der besänftigt werden muss. Jesus ist nicht
gestorben, um den Zorn Gottes auf sich zu nehmen. Sondern Jesus ist
gestorben und hat uns in seinem Tod gezeigt: Gott ist anders. Gott ist nicht der
zornige Gott. Gott ist nicht im
eifrigen Priester, der den Sünder umbringt
– sondern Gott ist in der
durchbohrten Frau. Am Kreuz hat Jesus den
Platz von Kosbi eingenommen. Am Kreuz wird Jesus, als
Krimineller verurteilt, von den Frommen und
Eifrigen umgebracht. Gott selbst wird zum
Opfer des frommen Eifers.
Ich glaube, der Tod Jesu
zeigt uns, dass nicht Gott der Zornige ist, der besänftigt werden
muss, sondern wir Menschen. Die Menschen suchen Blut
und Rache und gewalttätige Lösungen. Der Tod Jesu zeigt uns,
was passiert, wenn heiliger Eifer zu weit geht: dann töten wir
plötzlich, ganz ohne es zu merken, Gott selbst. Jesus ist nicht
gestorben, um Gottes Zorn zu besänftigen – sondern Menschen haben
ihn getötet, um ihre Blutlust zu besänftigen.
Und die Kraft in diesem
Tod Jesu ist,
dass Gott nicht
mit Rache und Gewalt und Strafe reagiert auf diese grösste Sünde
von allen: auf den Gottesmord. Gott rächt sich nicht,
er sendet keine Engel, um die Mörder zu erschlagen. Gott reagiert mit
Vergebung. Wir
haben es gehört: "Vater,
vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Gott reagiert mit
Vergebung.
Und von dem Punkt aus
können wir uns verändern. Weil Gott uns gezeigt
hat, wo Rache und Strafe uns hinführen. Wo heiliger Eifer uns
hinführen kann. Gott will nicht den
heiligen Eifer, der gegen sogenannte Sünde kämpft. Gott will, dass wir ihm
ähnlicher werden: dass wir wie Jesus
werden, der am Kreuz hängt und
vergibt. Jesus, der wie Pinechas
hätte werden sollen, wird wie Kosbi. Gott wird zur
durchbohrten Tempelhure, um uns sagen: stopp. So geht das nicht weiter. Am Kreuz hält Gott der
Menschheit den Spiegel vor und ruft uns auf, unsere
Speere fallenzulassen und zu vergeben. Es musste nie Gott
zufriedengestellt und besänftigt werden. Sondern wir Menschen. Jesus ist nicht
gestorben, um Gottes Meinung über uns zu ändern, sondern um unsere Meinung
über Gott zu ändern. "Lasst euch
versöhnen mit Gott!" fasst Paulus die
Botschaft vom Kreuz zusammen. Und ich verstehe das so:
es ist nicht Gott, der sich mit uns versöhnen muss, Gott hatte nie mit uns
Streit, er hat uns nie abgelehnt oder gehasst. Sondern die Trennung
kommt von uns aus. Da, wo wir der Liebe den
Rücken kehren, wo wir hassen, streiten,
rächen, nicht vergeben. Das Problem ist nicht der
zornige Gott, sondern die zornige
Menschheit.
Aber am Kreuz gibt uns
Gott die Kraft, einen neuen Weg zu
finden. Am Kreuz hält uns Gott
den Spiegel vor, aber er gibt uns auch ein
Beispiel, wie es anders geht. "Vater, vergib
ihnen." Verzicht auf Rache. Verzicht darauf, die zu
bestrafen, die es verdient hätten. Verzicht darauf, den
Feinden eins auszuwischen. Verzicht auf die eigene
Macht – auf die Allmacht. "Vater, vergib
ihnen."
Am Kreuz wird nicht Jesus
bestraft für all unsere Sünden – sondern am Kreuz ist das
Ende aller Strafe und aller Rache. Am Kreuz sagt Gott:
"Nein. Stopp. So nicht. So bin ich nicht." Am Kreuz gibt uns Gott
eine neue Möglichkeit, Geschichten wie die von
Kosbi anders zu lesen. Gott steht nicht auf der
Seite des frommen Eifers, der Sünde verdammt und
aufs härteste bestraft. Sondern Gott ist bereit, den Platz der Sünder einzunehmen, mit ihnen und für sie zu
leiden.